DER SELTSAME KLANG DES GLÜCKSDie Maultrommel – Herkunft, Klang & BauweiseFragt man einen Sizilianer nach der Herkunft der Maultrommel, so wird
er mit Bestimmtheit antworten, dass sie aus Sizilien kommt, wo sie Scacciapensieri
oder Marranzano heißt. Fragt man einen Deutschen, einen Ungarn,
einen Vietnamesen, sie alle werden voll Überzeugung behaupten, dass
dieses Instrument definitiv aus ihrer Heimat stamme. In Wirklichkeit
aber stammt es von einem Menschen, der noch keinen Pass hatte. Einem
Menschen der als erster feststellte, dass man mit ein paar geschickten
Handgriffen aus einem Stück Knochen, Holz oder später aus Eisen
einen Klangkörper schaffen konnte, mit dem sich die wunderbarsten
Melodien spielen ließen. Die Maultrommel ist ein kleines Musikinstrument mit durchschlagender Zunge, dessen Tonerzeugungsprinzip bereits sehr lange auf der Welt weit verbreitet ist. Eine manuell angeregte elastische Zunge schwingt durch die geöffneten Zahnreihen in den Mundhohlraum des Spielers. Deren Ton wird durch Änderung der Größe der Mundhöhle und durch die Atmung klanglich verändert, einzelne Obertöne werden hörbar herausgehoben und bilden dadurch die eigentlichen gespielten Töne. Als ich zum ersten Mal den Klang einer Maultrommel hörte, war ich
vollkommen fasziniert. Es ist schwer, Musik oder bestimmte Harmonien
mit Worten zu beschreiben, aber dieses kleine Instrument schien mir sofort
mehr zu sein als die Töne, die es erschaffen konnte. Mehr als ein
reiner Klangkörper. Seltsamerweise wirkten alle Musiker, die mit
ihr spielten, auf besondere Art und Weise zufrieden. Die Form des Bügels ist regional unterschiedlich, aber das Funktionsprinzip ist überall gleich: Zwischen den Schenkeln eines U-förmigen Rahmens, den man in die Mundhöhle nimmt, ist eine Blattfeder als Federzunge fixiert, die mit dem Finger zum Schwingen angeregt wird. Die Tonhöhe des Grundtons wird in erster Linie bestimmt durch die Länge, Dicke, Härte und Form der Feder. Die Breite der Feder wirkt sich in erster Linie auf Torsionsschwingungen aus. Entscheidend ist der Obertongehalt einer Maultrommel. Hierbei gilt, je enger der Abstand zwischen Feder und Bügeln ist, desto besser ist der Obertongehalt. Die meisten Maultrommeln werden aus Metall hergestellt und gehören
zum Typus der Bügelmaultrommeln, bei denen die als dünner Haken über
den Bügel hinausragende Zunge mit dem Finger gezupft wird. Beim
anderen Typus, den Rahmenmaultrommeln, ist die Zunge an allen Seiten
von einem Rahmen umschlossen und ein Ende des Rahmens wird direkt mit
dem Finger oder über eine Schnur angeregt. Je tiefer ich in die Szene der Maultrommel Enthusiasten eintauchte – zu
meiner Verblüffung eine weltweit vernetzte Gemeinschaft an Liebhabern,
Musikern, Sammlern und natürlich Herstellern, die als „Meister“ verehrt
werden – desto mehr zeichnete sich ein klares Bild ab: Diese Menschen
waren alle mit sich im Reinen, sie waren glücklich! Und alle behaupteten,
dass dieses kleine, unscheinbare Instrument der Grund dafür war. Die musikalische Anwendungspalette reicht vom einfachen “Boing!” bei Zeichen-trickfilmen über moderne Musik bis zur Klassik. Die Maultrommel findet sich fast weltweit als Instrument der Volksmusik, sie gehört auch zum traditionellen Instrumenten-Repertoire des Alpenraumes und ist von Ungarn und Slowenien über die deutsch- und italienischsprachigen Alpenländer bis nach Frankreich und weiter nach Sardinien und Korsika heimisch. Die Menschen, die ich auf meiner Reise treffe, könnten unterschiedlicher
nicht sein. Es scheint, als würde die Maultrommel neben dem Glück
auch die Skurrilität ihrer Spieler fördern. DER SELTSAME KLANG
DES GLÜCKS soll diese Exotik humorvoll einfangen, ohne dabei an
Tiefe zu verlieren. Es ist dies auch eine sehr persönliche, innere
Reise auf der Suche nach meinem Glück. Ein musikalischer Road-Trip
an Orte, von denen wir nicht gedacht hätten, dass sie existierten,
zu Menschen, die sich für Lebensentwürfe entschieden haben,
die zu unseren „westlichen“ Vorstellungen kaum gegensätzlicher
sein könnten. Stets diesem seltsamen Klang folgend, soll dieser
Dokumentarfilm vor allem Eines: Für eine kurze Zeit jene Stimmung
wiedergeben, die ich auf meiner Reise, bei jedem Treffen mit diesen faszinierenden
Menschen, gespürt habe und die mich bis heute nur beim Gedanken
daran lächeln lässt… |