Jörg Grünler Regie

  Seit 1974 arbeitet Jörg Grünler als Regisseur und Autor. Er zeichnet verantwortlich für zahlreiche Fernsehspiele, Fernsehreihen und -serien, darunter für „Bestseller – Mord auf italienisch“ (Regie, 2002), „Von der Rolle“ (2-Teiler, Buch und Regie, 2001), „Entscheidung im Eis“ (Co-Autor und Regie, 2001), „Der Bulle von Tölz“ (2 Folgen, Buch und Regie, 1999/2000), „Antonia“ (2-Teiler, Regie, 2000), „Mörderischer Doppelgänger“ (Regie, 2000), „Die Spesenritter“ (Regie, 1999), „Kinderraub in Rio – Eine Mutter schlägt zurück“ (Regie, 1999), „Der Mann neben dir“ (Buch und Regie, 1998), „36 Stunden Angst“ (Regie, 1998), „Die Neue“ (Pilot und 6 Folgen, Buch und Regie, 1997,), „Die Friedensmission“ (Regie, 1996), „Tatort – Lockvögel“ (Buch und Regie, 1995), „Zwei Männer“ (10-Teiler, Regie, 1994), „Die Kommissarin“ (6 Folgen, Regie, 1993), „Eurocops“ (Regie, 1990/ 1991), „Ein Fall für Zwei“ (8 Folgen, Regie, 1992 - 1988), „Münchner Freiheit – Pennergeschichten“ (Mehrteiler, Regie, 1985).
Sein Kinofilm „Krücke“ wurde 1993 mit drei Bundesfilmpreisen ausgezeichnet: Bester Darsteller (Heinz Hoenig), Beste Kamera (Gernot Roll) und Beste Ausstattung. Darüber hinaus erhielt der Film im gleichen Jahr den Max-Ophüls-Publikumspreis, den Publikumspreis beim Filmfest Würzburg und ein Jahr später den Hessischen Filmpreis.
Der Kinofilm „Lemgo“, bei dem Grünler ebenfalls Regie führte, wurde 1994 beim Filmfest München uraufgeführt.
Jörg Grünler lebt in München und Berlin.
   
  Interview
  Herr Grünler, Sie haben vor zehn Jahren in dem mit Preisen ausgezeichneten Kinofilm „Krücke“ die Lebenswelten von Kindern und Erwachsenen sehr überzeugend inszeniert. Nun befassen Sie sich im „Zehnten Sommer“ erneut mit der unterschiedlichen Sicht von Kindern und Erwachsenen auf die Welt. Was machte für Sie spontan den Reiz dieser Geschichte aus?
  Ein Reiz dieser Geschichte besteht sicher darin, dass es kaum einen Fernseher gibt, keine Videospiele, keine Computer. 1960 haben die Kinder in dieser Kleinstadt überwiegend draußen gespielt und mit Dingen, die sie selber gebastelt haben. Oder sie haben sich Fantasiespiele ausgedacht. Unsere Kinder wollen einen Zoo gründen und fangen mit einer Fliege, einer Heuschrecke und einem Regenwurm an, bis sie einen kleinen Affen geschenkt bekommen. „Der zehnte Sommer“ ist kein Rückblick auf die Sechzigerjahre, die etwa schöner oder besser waren, sondern eine Erzählung aus einer anderen Zeit.
       
  Damit fällt dieser Film aus dem Rahmen dessen, was Kindern heutzutage an Filmen geboten wird...    
  Er ist mit Absicht alles andere als ein Mainstream-Film! Erzählt wird auf fast märchenhafte Weise eine Geschichte gegen den heutigen Trend, gegen den Strich, die viele Themen berührt: Liebe, Freundschaft, Erotik, die erste erwachende Sexualität, Sehnsucht, der Kampf um die wirtschaftliche Existenz, kleinbürgerliche Moralvorstellungen, Geheimnisse aufseiten der Kinder wie Erwachsenen. Diese Inhalte, die einzelnen Charaktere und die Art, wie der Sommer in dieser Kleinstadt erzählt wird, haben mich an dem Buch so begeistert und zu meiner spontanen Zusage geführt. Und vielleicht war es auch eine Anknüpfung an meinen Film „Krücke“.    
       
  Ein besonderer Reiz liegt sicher auch darin, dass die Geschichte fast ausschließlich aus der Perspektive des Kalli erzählt wird.    
  Unbedingt. Diese Sicht trägt sehr viel zu der Atmosphäre bei, von der der Film lebt. Er ist ein sehr poetischer und in mancher Hinsicht auch altmodischer Film, der bis auf wenige turbulente Momente in einer überwiegend ruhigen, manchmal bewusst fragmentarischen Weise von den Gefühlen des 9jährigen Kalli erzählt, in dessen Wahrnehmung sich Realität und Fantasie immer wieder mischen.
Unterstrichen wird Kallis Sicht der Dinge zum einen durch eine sensible Kameraführung und das Licht, zum anderen von einem externen Erzähler, dem zweiten Ich des Kalli, der mit einer Portion Ironie, mit Humor und Augenzwinkern eine Ebene bedient, die man nicht spielen kann.
Dass wir manches nicht ausgespielt, sondern nur angedeutet haben, halte ich für notwendig: Es sollte vermieden werden, dass der Film betulich wirkt oder ins Melodramatische abgleitet. Das wäre auch nicht im Sinne des Autors gewesen.
   
       
  Wie war das Drehen mit den Kindern?    
  Es hat sehr viel Spaß gemacht, war mitunter aber auch sehr anstrengend – nicht nur für die Kinder. Mit Martin war es superklasse, weil er über eine erstaunliche Intelligenz und Professionalität verfügt, auch schwierige Szenen zu spielen, komplizierte Monologe zu sprechen und sie sogar mehrmals zu wiederholen. Bis auf ganz wenige Szenen, die wichtig sind, um ein bisschen Hintergrund zu liefern, ist Martin schließlich in jedem Bild dabei.
Michelle war sehr geduldig – schließlich war es ihr erster Film überhaupt, und die beiden Jungen, Pino, der den kleinbürgerlichen Polli verkörpert, und David, der für den kühlen Rechner in der Gruppe steht, haben ja schon einige Fernseherfahrung. Kompliziert war der Dreh mit den Kindern und dem Affen gemeinsam. Das kostete Nerven.
   
       
  Der Film richtet sich an Jung und Alt. Wie schätzen Sie die Akzeptanz bei den älteren Zuschauern ein?    
  Sie entwickeln möglicherweise nostalgische Gefühle, werden sicher in erster Linie schmunzeln und sich amüsieren, abgesehen von den traurigen Momenten des Films. Aber vielleicht führt der Film auch dazu, über die eigene Beziehung und Stellung nachzudenken, über Sehnsüchte und Wünsche. Ich würde mir wünschen, wenn er Anstöße zu einer gewissen Besinnlichkeit gäbe. „Der zehnte Sommer“, den man übrigens durchaus auch in zehn oder zwanzig Jahren noch zeigen kann, wird bei den Zuschauern sicher nachwirken.
Es würde mich nicht stören, wenn er wie ein kleiner Monolith, den man von mehreren Seiten betrachten kann, zwischen anderen Filmen läge. Meines Erachtens ist das ein Hinweis darauf, dass man auch auf eine solche Weise Filme erzählen kann.