EIN GEHEIMNIS

Gespräch mit Cécile de France

Wie sind Sie auf Philippe Grimberts Roman gestoßen?
Dank Claude Miller: Er gab ihn mir. Ich las den Roman noch bevor ich das Drehbuch gesehen hatte. Ich war tief erschüttert und musste beim Lesen weinen. Dieses starke Gefühl habe ich während der gesamten Dreharbeiten in mir getragen.

Wie war die Begegnung mit Claude Miller?
Ich wusste, dass er mir die Rolle der Tania vorschlagen wollte. Deshalb ging ich zu dem ersten Treffen sportlich gekleidet ... und sexy! Denn das ist das Bild, das Tania von sich vermittelt. Ich glaube, das gab den Ausschlag, dass Claude Miller mich wählte! Ich entsprach offenbar sofort dieser Person, zumindest vom äußeren Erscheinungsbild.

Tania ist ein Schwimmchampion. Haben Sie sich darauf vorbereitet?
Aber natürlich! Claude Miller gab mir Informationen aus jener Zeit, insbesondere Fotos, die mit der Welt des Sports und des Schwimmens zu tun hatten. Mit Hilfe eines Coachs formte ich meinen Körper, damit er den damaligen Vorstellungen entsprach, die sich von den heutigen völlig unterscheiden. Drei Monate arbeitete ich daran, und ich, die ich keine besondere Vorliebe fürs Schwimmen habe, wurde zur «Fachfrau» für einen speziellen Schwimmstil, der damals sehr populär war. Tania ist zwar eine Sportlerin, die aber trotzdem sehr elegant, feminin und anmutig bleibt – sie verbindet Sport und Mode.

War es für Sie wichtig, der physischen Erscheinung von Tania möglichst genau zu entsprechen?
Das erschien mir sehr wichtig! Als Erstes skizzierte ich die Rolle anhand ihrer Haare, ihrer Kleidung, ihrer Haltung, ihrer Art zu sprechen und zu gehen. Erst dann befasste ich mich mit den psychologischen Aspekten.

Doch abgesehen von ihrer Erscheinung: Wie würden Sie Tania beschreiben?
Sie ist eine ziemlich komplexe Person. Jeder kann sich selbst ein Bild machen, wie sie sich im Laufe des Films entwickelt und verändert, sie wirkt dabei immer sehr menschlich. Zu Beginn will sie sich nicht in Maxime verlieben, sie kämpft verbissen gegen die Anziehungskraft dieses Mannes. Es kommt für sie nicht in Frage, dieser Kraft zu erliegen. Und dann, mit der Zeit, bekommt der Panzer Risse und sie gibt nach. Doch alles ist sehr kompliziert. Sie fühlt sich zerrissen, hat Schuldgefühle und ist schrecklich traurig. Tania ist eine große Liebende: Sie hat ganz verschiedene Facetten.

Ist sie nicht auch Mutter?
Ja, sogar eine sehr bewundernswerte Mutter, die ihren Sohn unterstützt. Sie ist die Mutter des Erzählers, der eines Tages der Autor des adaptierten Romans sein wird. Und sie beschützt den Sohn, der es dem Vater nie recht machen kann.

Fühlten Sie sich Tania nahe?
Nicht besonders. Während der Dreharbeiten war ich noch nicht Mutter, doch abgesehen davon brauche ich mich meiner Filmfigur nicht zwingend nahe zu fühlen. Sie nahm im Laufe der Zeit Gestalt an, indem ich dieses oder jenes Detail, diese oder jene Haltung noch genauer ausarbeitete. Ich habe diese Person auch immer zu verteidigen versucht. Ich wollte, dass die Zuschauer sie nicht leichtfertig verurteilen, sondern sie weiterhin sympathisch finden.

Wie erlebten Sie ihren Alterungsprozess?
Das war sehr amüsant und verstärkte den Aspekt der Gestaltgebung zusätzlich. An gewissen Stellen des Films könnte die Person in Wirklichkeit meine Mutter sein: so ausgeprägt ist der Altersunterschied! Für mich war es eine Freude, so geschminkt zu sein und künstlich zu altern – eine einmalige Erfahrung! Zudem mussten wir uns der damaligen Mode anpassen. Man kleidete sich in den 30er-Jahren anders als in den 50er-Jahren. Ich sah dies alles als ein Spiel, das einerseits sehr ernst, andererseits lustig zu spielen war.

Sie drehten zum ersten Mal unter Claude Millers Leitung. Wie war das?
Er ist ein Regisseur, der seine Schauspieler und seinen Beruf sehr liebt. Ich weiß, dass er die Dreharbeiten sorgfältig vorbereitet, das ist beruhigend. Auf dem Set trug er stets ein kleines Heft voller Notizen und Anmerkungen bei sich. Man fühlt sich bei ihm in guten Händen, denn er vermittelt einem den Eindruck, immer zu wissen, wohin er geht und wohin wir zu gehen haben.

Wie waren Ihre Beziehungen zu den anderen Hauptdarstellern?
Der Film schildert viel Schwieriges, Schmerzhaftes. Wir brauchten ein Ventil für die starke Spannung und all die Emotionen. Unsere Ventile waren das Lachen und der Spaß. Ausserdem waren wir wie zusammengeschweißt. Vor allem mit Ludivine Sagnier fühlte ich mich stark verbunden; das ergab sich ganz von selbst.

Haben Sie mit Philippe Grimbert über Ihre Filmfigur gesprochen?
Ja, mehrmals, und es war stets sehr bereichernd. Es ist ja schon etwas merkwürdig, im Film eine Mutter darzustellen von jemandem, den es wirklich gibt und dem man auf dem Filmset begegnet. Er war übrigens genauso ergriffen wie ich. Es gab zwischen uns kein Tabuthema: Ich konnte ihn alles über seine Mutter fragen. Doch Philippe Grimbert hat von Anfang an die richtige Distanz bewahrt. Er verhielt sich nie wie ein zweiter Regisseur. Er äußerte seine Meinung, beantwortete Fragen und reagierte auf Unklarheiten, blieb aber immer in der Rolle des Beobachters und Zeugen eines Films, der vor seinen Augen entstand.

Was war rückblickend das Besondere am Film?
Meine Entscheidung, bei dem Film mitzuwirken und die Tania darzustellen hing vor allem damit zusammen, dass ich es wichtig finde, sich des jüdischen Volkes und seiner Geschichte im letzten Jahrhundert zu erinnern. Diese Tragödie trage ich mit mir herum, und ich wollte ihr in einer Rolle Ausdruck geben. Tania bot mir die Gelegenheit dazu. Ausserdem geht es im Film auch um Liebe und Leidenschaft. Mich faszinierte diese Mischung aus „großer“ und „kleiner“ Geschichte. Diese doppelte Dimension bleibt mir in starker Erinnerung.

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