GRUMP

Regie: Mika Kaurismäki

Als einer der bekanntesten und profiliertesten Filmemacher Finnlands, der in München Regie studierte und fließend Deutsch spricht, hat Mika Kaurismäki zahlreiche erfolgreiche Filme geschrieben, inszeniert und produziert, darunter L.A. WITHOUT A MAP, HESLINKI NAPOLI, Dokumentationen wie MAMA AFRICA – MIRIAM MAKEBA, ROAD NORTH und zuletzt den internationalen Überraschungserfolg MASTER CHENG 2020.

Der Regisseur und Produzent wurde auf internationalen Festivals weltweit mit diversen Preisen geehrt und gewann vier Mal den finnischen Filmpreis „Jussi“. Mika hat mit internationalen Schauspielgrößen wie Julie Delpy, Johnny Depp und Jürgen Prochnow zusammengearbeitet . Er gehört zu den Gründern des Midnight Sun Film Festivals, das seit 1986 im finnischen Ort Sodankylä stattfindet. Mit THE GRUMP kann er mit einem besonderen Blick auf Deutschland schauen.

Filmografie:

2020 GRACIOUS NIGHT Wettbewerb Tallinn Black Nights Film Festival
2018-19 MASTER CHENG Publikumspreis Filmfest Lübeck, Publikumspreis Mill Valley Film Festival No #1-Arthouse-Triple in Corona-Sommer in Deutschland 2020!
2017 RYHMIS/Ryhmäteatteri Dokumentarfilm
2015 THE GIRL KING Publikumspreis & Beste Darstellerin Main Buska, Montréal World Film Festival, Jussi Award Best Costume Design (Marjatta Nissinen)
2014 SCHEIDUNG AUF FINNISCH
2012 ROAD NORTH mit Vesa-Matti Loiri & Samuli Edelmann Audience Choice Award, St. Petersburg Int. Film Festival
THE KING – JARI LITMANEN Dokumentarfilm
2011 BRÜDER
MAMA AFRICA – MIRIAM MAKEBA Dokumentarfilm Audience Award (Panorama), Berlin International Film Festival, 2011
2010 VESKU Dokumentarfilm über Vesa-Matti Loiri
2009 THE HOUSE OF BRANCHING LOVE
MALÉ DEBALÉ Musik-Dokumentarfilm
THE SOUND OF GLARUS Musik-Dokumentarfilm
THREE WISE MEN El Cabrito del Plata for Best Film, Monterrey International Film Festival, 3 x Best Actor Award, Tallinn Black Nights Film Festival, 2nd Audience Award, Tallinn Black Nights Film Festival
2008 SONIC MIRROR Musik-Dokumentarfilm
2005 BRASILEIRINHO Musik-Dokumentarfilm Grand Prix, Iberoamerican Film Festival, Poland
2004 HONEY BABY
2002 MORO NO BRASIL Dokumentarfilm
1999 HIGHWAY SOCIETY u.a. mit Kai Wiesinger
1998 L.A. WITHOUT A MAP u.a. mit David Tennant, Johnny Depp, Vincent Gallo, Cameron Bancroft, James Le Gros, Jean-Pierre Kalfon, Anouk Aimée u.a.
1995 DRAUSSEN LAUERT DER TOD | CONDITION RED u.a. mit James Russo, Cynda Williams
1994 TIGRERO – EIN FILM DER NIE GEDREHT WURDE u.a. mit Jim Jarmusch, Sam Fuller, Golden Gate Award, San Francisco, Silver Key, Art Film Festival, Trecianske Teplice, FIPRESCI Critics’ Award, Berlinale
1993 DIE LETZTE GRENZE mit Jürgen Prochnow
1991 ZOMBIE AND THE GHOST TRAIN Finnischer Filmpreis Regie, 3 Jussi Awards (Best Picture, Best Actor/Silu Seppälä, Photography/Olli Varja), Critics' Award, Rouen Film Festival, State Film Award/Finland, Best Actor Award, Pescara Italy, Best Actor Award, San Sebastian Film Festival
1990 HÖLLE AM AMAZONAS (AMAZON) World Wildlife Fund WWF/OKO Award Jussi Award (Sound Design/Jouko Lumme)
1989 PAPERSTAR Jussi Award (Best Actress/Pirkko Hämäläinen)
CHA CHA CHA
1987 HELSINKI NAPOLI u.a. mit Jim Jarmusch, Samuel Fuller, Wim Wenders Jussi Award (Best Production), State Film Award/Finland
1985 REISE IN DIE FINSTERNIS (ROSSO) Jussi Award (Screenplay/Original Idea), State Film Award/Finland
1984 DER CLAN – DIE GESCHICHTE DER FRÖSCHE 2 Jussi Awards (Music/Anssi Tikanmäki, Supporting Male Role/Juhani Niemelä)
1982 DIE WERTLOSEN Jussi Award (Director), State Film Award/Finland
1981 DAS SAIMAA-PHÄNOMEN Musik-Dokumentarfilm mit Aki Kaurismäki
DER LÜGNER Kurzfilm Risto Jarva Prize, Tampere Film Festival, Jussi Diploma, State Film Award/Finland


Directors Note

Der Film handelt von zwei Brüdern, die sich seit vierzig Jahren nicht mehr gesehen haben. Tarmo löste sich einfach in Luft auf und verschwand von der Familienfarm, um die sich schließlich sein Bruder, Grump, kümmern musste. Grump glaubt, sein Bruder sei für den Niedergang der Farm verantwortlich und deshalb versucht er seit Jahrzehnten, die Existenz seines Bruders zu leugnen. Tarmo hatte jedoch seine Gründe zu verschwinden, von denen sein kleiner Bruder bis heute nichts weiß. Erst nachdem sich die Knoten von vor 40 Jahren lösen, beginnen die Brüder, sich und die Entscheidungen, die sie getroffen haben, zu verstehen.
Zu Beginn des Films sind die Welten von Grump und seinem Bruder meilenweit voneinander entfernt. Sie haben praktisch nichts gemeinsam. Grumps moralischen Werte sind in Stein gemeißelt; in seiner Welt war immer alles am richtigen Platz und in guter Ordnung. Er glaubt genau zu wissen, was richtig und was falsch ist. Er hat sein ganzes Leben an einem Ort verbracht, während Tarmos Welt immer in Bewegunggewesen ist, seit er sein Zuhause verlassen und in die Welt hinausgezogen ist. Nichts in Tarmos Leben war von Dauer und er hat auch die weniger schöne Seite Seite des Lebens gesehen. Für den einen ist sein Zuhause das Haus, in dem er sein ganzes Leben gelebt hat; der andere ist ein Nomade, der noch nie ein Haus oder eine Wohnung besessen hat; sein Zuhause ist dort, wo immer er sein Wohnmobil parkt.


Dieses Setting bietet mir als Regisseur eine hervorragende Möglichkeit, die Welt aus verschiedenen Blickwinkeln zu beobachten, die Grundwerte des Lebens zu untersuchen und sie zu hinterfragen. Die Brüder müssen sich selbst hinterfragen und ihre Einstellungen und Vorurteile anpassen, um weiterzukommen. Und das Beste ist, dass dieses Zusammentreffen dieser völlig unterschiedlichen Welten und Menschen eine wunderbare natürliche Quelle der Komödie ist.

Ein weiteres sehr wichtiges Thema im Film hat mit der Familie als Institution in einer sich verändernden Welt zu tun. Für den einen bedeutet Familie das Eine, während sie für andere etwas völlig Anderes bedeutet. Für Grump hat Familie immer eine Kernfamilie aus einem Vater, einer Mutter und zwei Kindern bedeutet. Grump meint auch, er sei ein guter Vater gewesen, denn ein Vater sollte autoritär sein. Für Tarmo war die Familie immer eine seltsame Konstellation. Er hatte es versucht, heiratete, hatte eine Tochter und ließ sich nieder. Er konnte jedoch nicht die Rolle des Vaters spielen; er konnte dem Ruf der Straße und der Freiheit nicht widerstehen. Er verließ seine Familie, was seiner Tochter Maria traumatische Kindheits-erinnerungen hinterließ. Deshalb hat Maria beschlossen, eine Individualistin und eine unabhängige Frau zu sein und eine eigene Familie zu gründen. Sie wollte aber keinen Vater für ihr Kind, weil er sein Kind ja eines Tages so verlassen könnte, wie ihr Vater sie verlassen hat.
Grumps Söhne haben hingegen eine Midlife-Crisis. Ihre Familien fallen auseinander und denken, dass ihre Kindheit und ihr autoritärer Vater daran schuld sind.


Es gibt im Film auch die zwei Pole des Lebens, Leben und Tod, die im Film präsent sind. Tarmo ist krank. Er weiß, dass er sterben wird, aber er hat keine Angst davor und möchte das Leben nicht künstlich verlän­gern, obwohl er vielleicht die Chance dazu hätte. Grumps Sohn Hessu hat dagegen davor Angst, dass er ein weiteres Kind bekommen wird. Er fühlt, dass er als Vater und Familienoberhaupt gescheitert ist und weiß nicht, wie er die weiteren Herausforderungen seiner Familie bewältigen soll.
Der Film beschäftigt sich mit Perspektiven im Leben; jede Hauptfigur – sogar Grump – muss ihre Haltungen und Entscheidungen abwägen und bewerten. Schrittweise möchten alle ihre Beziehungen miteinander verbessern, sie wieder aufleben lassen und so lang verlorene Verbindungen wiederfinden.
Für die Schauspieler bieten die Setzungen des Films und die Komplexität der Figuren eine großartige Gelegenheit, authentische Rollen mit der ganzen Bandbreite der Emotionen zu spielen.
Der Film ist ein Roadmovie, in dem sich die Landschaften verändern und eine sich bewegende Kameradie Figuren in Bewegung bringt. Grump hat fast sein ganzes Leben in einer stagnierenden Atmo­sphäre verbracht, aber in diesem Film werden er und seine Perspektive aufs Leben auf eine wilde Fahrt mitgenommen.
Der Film spielt in Finnland und Deutschland, was der visuellen Erzählung interessante Elemente hinzufügt. Ich habe viele Jahre in Deutschland gelebt und Filme gemacht, daher fühle ich mich dort zu Hause und glaube, dass ich bestimmte Merkmale Deutschlands sowohl in Bezug auf die Visualität als auch auf die Atmosphäre portraitieren kann.
Trotz der Krisen und vielfältigen persönlichen Probleme ist das Genre des Films „Komödie“, aber mit Elementen des Dramas und der Tragödie. Der Film muss nicht mit Gewalt versuchen, lustig zu sein. Die Komödie wird in den Situationen geboren. Ich mag diese Kombination und ich habe eine Reihe von Filmen gemacht, in denen das Leben tragisch aussehen mag, wenn man es aus der Nähe betrachtet, aber wenn man es aus der Ferne betrachtet, erkennt man die Komödie des Lebens und muss schmunzeln. Der Grat zwischen Tragödie und Komödie ist oft schmal und der Film wandert auf diesem schmalen Grat, so wie wir unser wirkliches Leben leben.

Manchmal ist das Leben eben tragisch, aber oft ist es wahnsinnig lustig und komisch.