LANDRAUSCHEN
Regie und Drehbuch: Lisa Miller
Seit ihrem Studium der Visuellen Kunst und Fotografie in Madrid und
London arbeitet Lisa Miller als freischaffende Filmregisseurin und Dozentin.
Sie unterrichtete an der bayerischen Ferienakademie und ist Mitglied
des Künstlerhauses Ulm. Lisa inszenierte zahlreiche Theater und
Videoperformances u.a. „Mir san mir” beim InVitro Festival
(Havanna) sowie der Galerie Kloster Roggenburg (2014) und„Collateral
Murder #2”, aufgeführt beim 100 Grad Festival in Berlin (2014).
Ihr Kurzfilm „Marie” gewann 2009 beim CEV Madrid den Preis
Bester Kurzfilm. Nachdem ihr Film „Tschernobyl, Fukushima, Gundremmingen” bereits
auf lokaler Ebene erfolgreich uraufgeführt wurde, nähert sich
Lisa mit LANDRAUSCHEN einmal mehr ihrer Heimat auf künstlerischer
Ebene an, um als Einheimische mit internationaler Erfahrung ein sehr
intimes Porträt Bayerisch-Schwabens zu zeichnen.
Ein Gespräch mit Lisa Miller
Warum ein Heimatfilm?
Das Genre hat mich interessiert weil es so "populär" ist
und weil es in seiner klassischen Form schon immer dazu da war, Sehnsüchte
zu wecken und eine fiktive Idylle zu schaffen. Das Thema Heimat hat Konjunktur
und wird auch gerne instrumentalisiert. Ich wollte dieses Gefühl hinterfragen
und mit den Sehnsüchten oder auch der Abneigung dagegen spielen. Dabei
war mir wichtig, dem Genre eine kritische und auch sehr feministische Perspektive
zu geben.
"
Heimatfilm" ist natürlich auch immer mit Mundart verbunden. Bei
Dialekten und Akzenten entsteht für mich eine Unmittelbarkeit und
Farbigkeit, die Authentizität schafft.
Wie kamst Du auf die Idee zu diesem Film?
Auf dem Dorf wächst man mit Geschichten auf und ich war jahrelang
auf der Suche nach der Story, die ich erzählen wollte. Ich hatte einen
kleinen Clip mit Kathi und Nadine gedreht und ihr Zusammenspiel hat mich
dann zu Toni und Rosa inspiriert.
Hat die Geschichte autobiografische Bezüge?
Die Geschichte ist von meiner Jugend, meiner Rückkehr nach Bubenhausen
nach dem Studium und den Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin, inspiriert.
Speziell natürlich auch von Nadines persönlicher Geschichte.
In LANDRAUSCHEN gibt es fast dokumentarische Szenen wie der Faschingsumzug
oder mit der Musikkapelle und auch fast psychedelische wie bei der Party.
Welches Konzept steht dahinter?
Ich wollte einen Film machen, der sich aus diesen scheinbar konträren
Realitäten zusammensetzt. Bayern ist nicht nur blau-weiß wie
uns beharrlich erzählt wird, und diese Szenen sind auch nicht aus
verschiedenen Welten. Fasching ist am Ende auch nur ein Delirium, das innerhalb
des Normalen akzeptiert ist und den Menschen erlaubt ihrem geregelten Leben
zu entfliehen. Ich würde grundsätzlich sagen: Bier.
Habt Ihr mit einem genauen Drehbuch gearbeitet?
Das Drehbuch war relativ genau ausgearbeitet, ließ aber viel Raum
für Improvisation. Bei den dokumentarischen Szenen mussten wir uns
auf den Moment einlassen. Die Dialoge habe ich den Schauspielern*innen
nicht immer vorgelegt. Das Hauptaugenmerk lag auf der Authentizität
der Sprache und der Charaktere. Die Herausforderung war auch, dass sich
das Szenische ins Dokumentarische einfügt und viceversa.
Wie war die Arbeit mit den Laiendarsteller*innen und Familienmitgliedern?
Für viele war es eine komplett neue Erfahrung, aber dadurch war der
Einsatz und die Begeisterung umso größer. Am Ende war das halbe
Dorf beteiligt.
Die Darsteller*innen geben oft auch viel von sich selbst preis, dafür
trägt man auch Verantwortung. Das habe ich sehr ernst genommen. Wenn
so viele persönliche Beziehungen daran hängen, muss man sehr
sensibel vorgehen.
Wie stehst Du zur Stadt-Land-Thematik?
Ich glaube diese Einordnung kann heutzutage nicht mehr so einfach gemacht
werden. Im urbanen Raum hat man bestimmt besseren Zugang zu gewissen
Dingen, aber das Klischee des Hinterwäldlers ist auch sicher kein
Landproblem. Die einen überidentifizieren sich mit ihrem Kuhdorf,
die anderen mit ihrem Szeneviertel. Politisch – definitiv in Bayern – geht
es auf dem Land natürlich viel konservativer zu – aber eben
auch nicht nur, und ich hoffe wir können unseren Teil zu einer Veränderung
beitragen.
Wie lief der Crowdfunding-Prozess?
Wir waren sozusagen Crowdfunding-Pioniere. Erstmal mussten wir erklären,
was das überhaupt ist. Allerdings war der lokale Faktor schließlich
der Motor der unsere Kampagne so erfolgreich gemacht hat. Es ist wichtig,
dass sich die Menschen mit dem Projekt identifizieren und Teil davon sein
wollen.
Produzent: Johannes Müller
Nach seinem Abschluss in Europäischer
Politik und Kulturwissenschaft hat Johannes Müller seine Abschlussarbeit über
den russischen Gangsterfilm nach Berlin zur Filmproduktion gebracht.
Dort arbeitete er seitdem in der Produktion internationaler Koproduktionen,
unter anderem für die Studio Babelsberg Filme „The Voices“, „The
Fifth Estate“, „Point Break“ oder die Dokumentation „Human
Flow“ des Künstlers Ai Weiwei. Er ist Absolvent der Masterclass
Atelier Ludwigsburg-Paris und studierte an den Filmschulen La Fémis,
Paris, und der Filmakademie Ludwigsburg. 2016 wurde sein Kurzfilm „Goal
Volant“ auf Arte ausgestrahlt. Mit der Firma Miller&Müller
Film widmet er sich gemeinsam mit der Regisseurin Lisa Miller der Revolution
des Genres Heimatfilm.
Ein Gespräch mit Johannes Müller
Wie entstand die Idee zum Projekt LANDRAUSCHEN?
Nachdem Lisa und ich uns nach dem Abitur für ein paar Jahre aus
den Augen verloren hatten, begannen wir vor ca. sechs Jahren bei Spaziergängen
auf den Feldwegen zwischen unseren beiden Dörfern erste Ideen zu
sammeln, wie wir in der Zukunft gemeinsam eine Filmproduktionsfirma starten
könnten - Miller und Müller, das bot sich geradezu an, noch
dazu waren wir beide professionelle Filmemacher. Die erste Fassung von
LANDRAUSCHEN als unser erstes Projekt wurde dann von Lisa während
eines Urlaubs in Chile geschrieben. Ich hatte sofort Spaß an den
Charakteren und fand die Geschichte eine authentische und gleichzeitig
humorvolle Darstellung unserer Heimatregion.
War die Aufgabenteilung gleich klar?
Die Aufgabenteilung wurde ständig angepasst an unsere entsprechenden
Situationen. Vieles wurde nur durch Lisas gutes Netzwerk innerhalb des
Dorfes Bubenhausen möglich gemacht. Während ich zunächst
als alleiniger Produzent vorgesehen war, ist es mir deshalb wichtig gewesen,
dass Lisa ebenso Produzentin des Filmes wird.
Wie lange dauerte es, bis Ihr mit den Dreharbeiten anfangen konntet?
Da wir zu verschiedenen Jahreszeiten verschiedene Events drehen wollten,
wie etwa Fasching oder Fronleichnam, und gleichzeitig nicht die finanziellen
Mittel hatten, größere Drehblöcke am Stück zu
stemmen, war es unser Konzept, in kleinen Drehepisoden von 2-4 Drehtagen
zu drehen. Diese Methode hat es uns auch erlaubt zwischen den Drehphasen
dieselben vorzubereiten und am Drehbuch weiter zu arbeiten.
Wie ergab sich die Crowdfunding-Aktion und wie lief sie?
Jeder von uns hatte schon vom Crowdfunding gehört, doch für
alle von uns war es das erste Mal. Wir hatten Lust es auszuprobieren
und zu schauen, wie weit wir kommen. Am Ende war das Ergebnis überwältigend.
Wir haben dabei viel gelernt, etwa wie man eine Geschichte nach außen
kommuniziert. Auch haben wir viele Großsponsoren gefunden, die
ohne das Marketing der Kampagne nicht in diesem Maße auf uns aufmerksam
geworden wären. Hätte es nicht funktioniert, würden wir
vielleicht heute noch drehen.
Welchen filmischen und inhaltlichen Ansatz habt Ihr bei dem Dreh verfolgt?
Man könnte sagen, wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und
aus finanziellen Gründen viel dokumentarisch und mit Laiendarstellern
gedreht, was am Ende den ganz eigenen Flair des Films ausmacht. Wahr
ist aber, dass wir dies nie wegen mangelnden Geldes gemacht haben, sondern
da wir überzeugt waren, nur so die entsprechende Qualität der
Authentizität zu erreichen. Die Mischung aus teils sehr fein ausgearbeitetem
Drehbuch und teils sehr losen Skizzen hat es uns erlaubt, dass wir Mumblecore-ähnliche
Dialogfreiheit haben und die Schauspieler in ihrer eigenen Mundart sprechen
konnten. Gleichzeitig konnten wir aber an den entsprechenden Stellen
auch sehr pointiert und Storyline-orientiert sein.
Welche Besonderheiten hatten die Dreharbeiten, was unterschied sich
von anderen Projekten?
Das Besondere ist definitiv die großartige Zusammenarbeit mit einem
Dorf und einer Region, die komplett in den Dreh involviert waren und
Herz und Seele gaben, dass der Film so geworden ist, wie er heute ist.
Dies kenne ich von Projekten in Berlin nicht. Dort ist es eher so, dass
alle total genervt auf Filmdrehs reagieren, da es davon so viele gibt.
Eine weitere Besonderheit ist auch, dass wir im Team alte Schul- und
Jugendfreunde wieder vereinen konnten um gemeinsam etwas auf die Beine
zu stellen. Dies hat uns auf alle Fälle wieder sehr stark zueinander
geführt.
Ist Deine persönliche Geschichte in das Projekt eingeflossen?
Als jemand, der 2 Kilometer von Bubenhausen aufgewachsen ist, hätte
ich nur eingeschränkt die im Film verarbeiteten Geschichten erzählen
können. Ein Dorf ist noch einmal anders als selbst eine kleine Stadt.
Wir standen jedoch stets in regem Austausch über Szenen und ich
war sozusagen als Männerbeauftragte auch dafür verantwortlich,
dass die Männercharaktere mehr Tiefe bekamen.
Wird es ein LANDRAUSCHEN 2 geben?
Wir haben noch nicht konkret darüber gesprochen. Aber ich denke,
wir werden den ein oder anderen Charakter wieder treffen.
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