WHO’S AFRAID OF ALICE MILLER?

INTERVIEW MIT DANIEL HOWALD, AUTOR UND REGISSEUR

Wo liegt die psychologische Bedeutung dieses Films?
Der Film zeigt eine Möglichkeit der Auseinandersetzung mit vererbten, sogenannte transgenerationalen Traumata. Martin zieht los, um zu erfahren und zu erleben, was seine Mutter damals während des Holocausts in Polen durchmachen musste. Das Entdecken und Nacherleben des von den Eltern Verschwiegenen hilft, die eigenen Gefühle zu verstehen; schmerzhafte Gefühle deren Wurzeln bis dahin im Dunkeln lagen. Martin war Teil des Krieges, ohne je selbst im Krieg gewesen zu sein. Die Begegnung mit dem Kontext und dem vorenthaltenen Wissen kann helfen, ein trans-generationales Trauma ertragbar zu machen.

Was macht diesen Film aktuell?
Immer mehr wird deutlich, dass die zweite Generation, die Nachfahren der Überlebenden von Genoziden und Kriegsverbrechen, schwerste Symptome von Traumatisierungen zeigen. Und das, obwohl sie die ursächlichen Ereignisse gar nie selbst erlebt haben. Denkt man an die zahlreichen Menschen, die aus Kriegsgebieten in unsere Länder fliehen müssen - aktuell aus Syrien - wird die gesellschaftliche Aktualität sofort deutlich. Denn diese kriegstraumatisierten Menschen werden Familien gründen, oder haben bereits Kinder, sie werden hier aufwachsen, und genau von diesen Symptomen der „Second Generation“ betroffen sein. Dieser Film kann helfen, frühzeitig Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen, um diesen Menschen aktiv zu helfen.

Warum ist dieser Film ein wichtiges historisches Dokument?
Nur noch wenige Menschen weilen unter uns, die den Holocaust selbst erlebt haben und vom unaussprechlichen Grauen Zeugnis ablegen können. Bald wird der Holocaust als Ereignis des 20. Jahrhunderts nur noch in den Geschichtsbüchern existieren und langsam in die Ferne rücken. Darin liegt eine große Gefahr, denn nur das aktive Erinnern schützt eine Gesellschaft vor der Wiederholung. Der Film kämpft auch gegen dieses Vergessen und porträtiert neben Martin Miller eine zweite Protagonistin, die charismatische Irenka Taurek, Alice Millers Cousine, die als polnische Jüdin den Holocaust überlebt hat. Kurz nach den Dreharbeiten ist Irenka verstorben.